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Mit der Zero zu Graf Dracula

Am frühen Sonntagmorgen, dem 25.9., bin ich zu meiner Rumänientour gestartet. Über Kitzbühel, den Felbertauerntunnel, Lienz, Nassfeld- und Perdilpass nach Slowenien. Gegen Mittag war ich schon am Nassfeld, diese Route ist wirklich ziemlich fix und ladetechnisch gut machbar. In Slowenien zu fahren ist wirklich toll. Es ist noch relativ wenig Verkehr, die Landschaft ist wunderschön, Ladesäulen gibt es genügend. Slowenien war eines der Highlights meiner Reise. Touristischer Höhepunkt war die Höhlenburg Predjama, eine 800 Jahre alte Burg, die sich in einen Felsen förmlich hineinkauert. 

Aufgrund einer Empfehlung einer Kollegin die in Jugendherbergen übernachtet, habe ich dann die erste Nacht in einer solchen in Adelsberg verbracht. Ungewohnt, aber in Ordnung. Ich hatte ein Dreier-Zimmer für mich alleine, aber mit sauberem Gemeinschaftsbad und natürlich einem etwas anderem Belebtheitspegel als in einem Hotel, aber Nachts war alles ruhig. Also eine gute Wahl. 

Von Slowenien ging es dann durch den nördlichen Teil von Kroatien nach Ungarn. Hier haben mich die schlechten Straßen überrascht. Gerade in ländlichen Gebieten sind sie durchgehend schlecht. Das äußert sich weniger in Schlaglöchern als in extremen Wellen, z. T. so als wäre ein Autoreifen einasphaltiert. 

In einem kleinen Städtchen war ich gerade 10 min am Laden, da hält ein Motorradfahrer neben mir. Der Fahrer schaut mich erwartungsvoll an und ich weiß gar nicht was er von mir will. Nach den ersten Sätzen verstehe ich dann, er ist mit einer auf E-Motor umgebauten KTM 390 gekommen. Seine Freunde haben mich gesehen und ihm gleich erzählt, dass an der Ladesäule ein Motorrad steht, das musste er sich anschauen. Er hat noch nie eine Zero in echt gesehen. Sein Umbau war gut gemacht. 120 kg, 6 kWh Batteriekapazität, stufenlos einstellbare Reku. Beachtlich. 

Als ich durch Südungarn durch bin und in Rumänien reinfahre, ziehe ich mir erst mal ein bisschen lokales Geld. Lei oder Ron, wie die einheimischen sie nennen. Geld von einer transsilvanischen Bank. Vom Graf. Hat einen sinistren Klang. 


Aufgrund des großen Abstands der Ladesäulen von Arad nach Deva (160km) fahre ich die Nationalstraße. Das macht keinen Spaß. LKWs noch und nöcher. Geschwindigkeiten jenseits von gut und böse. Selbst in Ortschaften mit einem Speedlimit von 50, brausen die mit mindestens 70-80 km/h durch. 30 km vor Deva übernachte ich dann in einer Pension. Bekomme neben Strom auch noch einen Schnaps von der Hochzeit der Tochter des Hauses. Einfach nur nett. 

Am nächsten Tag wechsele ich dann auf kleine Nebenstraßen. Dort sieht man viele viele Straßenhunde. Die meisten sind sehr schüchtern und zurückhaltend, haben wohl schlechte Erfahrungen gemacht. Als ich auf einer Freifläche halten und die Route prüfen will, kommt eine Meute von Hunden kläffend an. Ein bisschen mulmig ist mir schon, also fahre ich ein paar Meter weiter. Dort ist ein einzelner kleiner Streuner, der mich erwartungsvoll anschaut. Also krame ich eine Breze vom Vortag aus und werfe ihm ein paar Stücke zu. Dann kommen auch die anderen an, sogar der Kläffer (bleibt aber vorsichtig zurück). Irgendwann ist meine Breze aus und alle haben zumindest ein Stück ergattert. Traurig. Ich beschließe, in Zukunft Hundefutter für solche Fälle mitzunehmen und kaufe die im nächsten Kaufland, die in Rumänien eine Art Edelsupermarktkette darstellen. Eine riesige Auswahl, anders als in den kleineren Supermärkten in Rumänien oder Ungarn und frisches, gut aussehendes Obst (Bananen mit geschlossener Schale!).

Auf den Straßen sieht man ab und zu auch Pferdegespanne. Ein seltsamer Kontrast zu den Autos. Aber auch viele Fußgänger und einige Radfahrer. In der Nacht gerne auch unbeleuchtet und ohne Reflektoren. Saugefährlich, zumal wenn dann ein LKW dicht daneben vorbeifährt. Aber das stört scheinbar keinen. Echt seltsam.

Weil auch die Etappe über den Transfagarsan mit seinen 1600 Höhenmetern und über 170 km Strecke mit regulären Ladesäulen nicht gut zu schaffen ist, cheate ich ein bisschen und lade nach 50 km auf einem Campingplatz. Zunächst will der Inhaber noch nicht mal Geld dafür, aber ich gebe ihm trotzdem den Tagessatz für Strom, damit der nächste hier auch noch ein offenes Ohr findet. 

Und dann geht's den Transfagarasan rauf bis auf über 2000m. Die Straße ist manchmal ganz schön ruppig und viele Schlaglöcher fordern volle Konzentration. Gegen acht Uhr suche ich mir eine Unterkunft in einer kleinen Pension wo es auch was zu Essen und Trinken gibt. Das Essen ist unglaublich günstig, 2-3 Euro, das Bier auch (1 Euro). Man will gar nicht darüber nachdenken, wie die Tiere gehalten werden, damit das zu diesem Preis angeboten werden kann. 

 

Am nächsten Tag geht's weiter Richtung Bran, wo das Dracula Schloss steht. Auf diesem Teilstück sehe ich wieder viele Straßenhunde. Z. T. sehr zottelig und dicht an der Straße. Manchmal liegen sie dort und heben noch nicht mal den Kopf, wenn ein LKW 1-2 m an ihnen vorbeifährt. Echt traurig. Man sieht auch viele Katzen- und Hundekadaver. Ausgetrocknet und fast nicht mehr zu erkennen, zumindest bei den Katzen. In meinen Pausen und am Abend mache ich mich ein bisschen schlau, wie man diesen armen Kreaturen helfen könnte. Und ich stoße auf Hunderettung Europa, ein gemeinnütziger Verein, der ein Tierheim in der Nähe von Brasov unterstützt. Nicht nur Hunde vermittelt sondern in einem großen Gehege vor Ort hält, gerade die Hunde, die nicht vermittelbar sind, und Kastrations-Kampagnen durchführt. Sehr beeindruckend.

Das Dracula-Schloss in Bran ist ein echter Tourismusmagnet. Hunderte von Menschen, teure Parkplätze. Recht haben sie, die Rumänen. Auch viele Straßen werden neu gebaut, und die langen Staus an den Baustellenampeln nutzen clevere Verkäufer um Obst oder Holzschnitzarbeiten anzubieten. 

 

Auf sehr kleinen Straßen, die z. T. ohne Teerdecke sind, fahre ich von Bran über Brasov und Cluj-Napoca wieder zurück. Man sieht sehr deutlich, dass es in gewissen Zentren (Brasov, Cluj) einen regelrechten Boom gibt. Gute Straßen, neuere und größere Autos, viel Bautätigkeit, auch Ansiedlungen westlicher Unternehmen wie Miele, Dr. Oetker oder Schaeffler.  Dagegen scheint auf dem Land die Zeit stillzustehen. Pferdewagen, Fußgänger, Straßen die eher Feldwege sind. Dieses Wohlstandsgefälle ist schon frappierend. Mit meiner Zero komme ich mir auf dem Land wie ein Alien vor. Die Kinder kommen mir aber oft winkend entgegen und fahren begeistert gedanklich ein Stückchen mit. 

An diesem Tag schaffe ich es  noch über die Grenze nach Ungarn und nehme mir ein Zimmer für 15 Euro. Sehr einfach, mit Gemeinschaftsbad (war anders ausgezeichnet, grummel), aber trotzdem noch günstig. 

Die Rückfahrt durch Ungarn war unspektakulär. Während ich in Rumänien in der Regel bei Kaufland für 2 RON (ca. 40ct.) die kWh geladen habe - was sehr gut funktioniert hat, auch dank einem hervorragenden Mobilfunktnetz, das überall (!) LTE-Empfang bot - war das Laden in Ungarn in der Regel über die Gemeinden organisiert. D. h. entweder (meist) kostenlos oder mit lokal unterschiedlichen Apps :-(. Höhepunkt in Ungarn war Budapest. Eine tolle Stadt, viele junge Leute, viele Touristen, tolle Gebäude. 

Auf den letzten 100 km in Ungarn erwischt mich noch ein Gewitter. Ich drehe nochmal um und warte an der letzten Tankstelle ab, bis es sich verzieht. Und habe Glück. Ich bin der zweite Motorradfahrer und kann mir noch einen Sitzplatz sichern, danach kommen noch weitere Motorradfahrer und warten alle unter dem Tanke-Vordach, bis das Gewitter vorbei ist. 

 

Für die letzte Übernachtung gönne ich mir eine etwas bessere Pension. Eine sehr freundliche Besitzerin mit einem süßen kleinen West Highland Terrier. Das Bad ist auch ein Gemeinschaftsbad, aber super sauber und gepflegt. Auf dem Zimmer gibt es einen Obststeller mit Trauben und Wassermelone, ein Bier und ein Wasser. Und Strom für die Zero bekomme ich auch. Wirklich sehr entgegenkommend. 

 

Den Rest der Strecke fahre ich einfach über Land durch Österreich nach Hause. Nix besonderes. Außer Wetterglück :-). Zwischen 2 Wetterfronten fahre ich glücklicherweise trocken durch. Sogar laden ohne Regen konnte ich, was durch meinen nicht-wasserfesten Zusatzlader ein echter Glücksfall war, meine Ladepausen hätten sich sonst glatt verdoppelt. 

Gegen 4 komme ich dann zuhause an und kann meine Frau und meinen Hund wieder in die Arme schließen. 

 

Was wird hängenbleiben?

1. Das Armutsgefälle in Rumänien ist erheblich. Auf dem Land scheint die Zeit vor 80 Jahren stehengeblieben zu sein. In den großen Städten mit Industrie boomt es regelrecht.

2. Die Hunde in Rumänien sind arme Schweine. Ich werde die Hunderettung Europa unterstützten. Mindestens finanziell, vielleicht auch nächstes Jahr im Tierheim in Brasov.

3. Das Mobilfunknetz ist beeindruckend. Über all LTE-Empfang, naja, in einer Pension hatte ich im Bett liegend auch mal nur 3G, am Fenster dann aber wieder 4G. Ansonsten - auch in dern kleinsten Orten und auf dem Land - überall LTE. Wirklich beeindruckend. Meine vorsorglich gekaufte T-Mobile-Sim-Karte (als Netz-Alternative zu meiner Telefonica-Karte) habe ich kein einziges Mal gebraucht. Naja, hier in Deutschland dann wieder. Zuhause hilft das aber auch nicht, weil da weder D1 noch D2 noch O2 vernünftigen Empfang bieten. Echt schwach. 

4. Fahrerisch ist Rumänien durch die kleinen Nebenstraßen einigermaßen interessant, Ungarn aber ziemlich fade (ewiglange gerade und schlechte Straßen). Slowenien ist soviel näher, bietet eine tolle Landschaft, viele kleine kurvige Nebenstrecken, das wird wahrscheinlich das Zielgebiet für meinen nächsten Motorradurlaub.  

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Kommentare: 5
  • #1

    Andreas (Freitag, 13 September 2019 11:16)

    Start : 25.8. ?
    Hallo Christof
    sehr schöner Bericht von Deiner tollen Reise !
    Aber es bleiben Fragen offen:
    Reisedauer, Gesamtkm, km pro Tag, durchschnittsverbrauch, Reichweite ohne Nachladen, so statistische Sachen halt. Wäre schön, wenn Du dazu noch was schreibst.
    Viele Grüße
    Andreas

  • #2

    Christof (Freitag, 13 September 2019)

    Hallo Andreas,

    freut mich dass du mitliest. Dann schreibe ich nicht *nur* für mich :-).

    Für die Statistiker unter uns: Ich war 8 Tage unterwegs, von Sonntagmorgen (25.8.) bis Sonntagabend (1.9.), bin 3280 km gefahren, die längste Tagesetappe war 520 km, das kniffligstes Teilstück war das über den Transfagarasan mit geplanter 180 km Streckenlänge und 1400 Höhenmeter (wo ich wg. einem Kartenfehler noch zusätzlich 20 km Umweg hatte, deshalb war die Campingladung ein Muss).
    Der Weg über den Transfagarasan von Norden nach Süden hat sich als Glücksfall herausgestellt, man macht zuerst die Höhenmeter, dann die Entfernung auf der Südseite mit sanftem Gefälle, das ist gut einzuschätzen.
    Die erfasste und bezahlte Strommenge waren 56 kWh für 16 Euro, das sind 0.46€/100km, der Rest war an kostenlosen Ladesäulen (wobei ich darauf nicht optimiert habe, wegen der paar Mäuse hin oder her mache ich mir keinen Kopf, die Lage der Säule ist mir da wichtiger). In Ungarn sind die meisten Säulen kostenlos, in Österreich auch noch viele. Mein Verbrauch liegt normalerweise so bei 6kWh/100km, in Rumänien und Ungarn lag er aufgrund des Straßenzustands oder den Ladesäulenabständen auch manchmal bei 5kWh/100kWh.
    Für die 7 Übernachtungen habe ich 197€ bezahlt, für alles andere ungefähr 90€ (exklusive der Hunderettung-Europa-Unterstützung, dafür will ich an dieser Stelle nochmal die Werbetrommel rühren).
    Der oben erwähnte Kartenfehler war übrigens der einzig ernsthafte. Die geplante Route hatte dort einen komplett anderen Verlauf als der Weg auf dem ich war (Straße war es keine mehr). Der wurde dann immer schlechter und abwegiger so dass ich umgekehrt bin. Kartenfehler im Sinne von "unasphaltiert" trotz "vermeiden unbefestigter Straßen" traten mehrfach auf, aber mit Langsamfahren ging das dann. Das waren oft die interessantesten Strecken. Einen Planungsfehler hatte ich auch drin: In Ungarn hat mich die nicht gesetzte Option "Fähren vermeiden" an eine Fähre über die Donau geführt (Koordinaten: 46.499156, 18.907240), an der aber kein offensichtlicher Fährbetrieb stattfand. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich Google Lens (zum Übersetzen der Beschilderung) noch nicht, so dass ich nach einigem Rätseln und Warten auch umgekehrt bin und knappe 50 km Umweg in Kauf genommen habe.

    Viele Grüße
    Christof

  • #3

    Christof (Freitag, 13 September 2019 18:05)

    Was ich noch vergaß: Für Rumänien ist die Plugsurfing-App prima. Der RFID-Chip funktionierte bei mir nicht, aber die App schon (dank gutem LTE Netz). Diese Variante ist von der Bedienung angenehmer als www.e-charge.ro.

  • #4

    Andreas (Montag, 15 März 2021 17:21)

    Respekt für diese Tour. Ich hätte bereits im Alltag und bei Haustrecken Bammel bezüglich der Reichweite. Aber diese Tour würde ich sicher nur mit einem Verbrenner machen.

  • #5

    Christof (Montag, 15 März 2021 18:10)

    Hi Andreas, danke, das ist alles eine Frage der Gewöhnung. Viele Grüße