Vor 6 Wochen habe ich an einem Freitagnachmittag um 5 mit Hilfe eines Kollegens von CADFEM Medical mein WAW Velomobil von Katanga gescannt. Dabei kam die Software structure.io auf einem Tablet zum Einsatz. Das Tablet hat einen speziellen Aufsatz, das ein Infrarotmuster auf die zu scannende Struktur projiziert und dann in Kombination mit der Lage des Tablets eine Triangulation durchführt und so die Oberfläche vermisst. Man läuft mit dem Tablet um das Velomobil und sieht dann wie die 3D-Struktur Stück für Stück erfasst wird. Manchmal muss man etwas langsam machen oder mehrmals über eine Stelle "drüberschauen", aber im Prinzip war ich in 5 min fertig. Sicherheitshalber habe ich 3x gescannt, was aber überflüssig war.
Dann hatte ich ein STL-File, das ich in der Größe skalieren und ausrichten musste. Danach habe ich den Boden (Pflastersteinmuster) entfernt, Scanfehler ausgemerzt und das fehlende Fenster ergänzt. Das Arbeiten mit der facettierten Geometrie fand in SpaceClaim statt. Das Skalieren, Ausrichten und Bereinigen der Geometrie hat die meiste Arbeit verursacht, ich schätze so vielleicht 1-1.5 h. Danach habe ich die Velomobilgeometrie in ANSYS Discovery Live reingeworfen, das Teil des Portfolios meines Arbeitgebers ist. Nach ein paar Sekunden sieht man dann, wie sich das Strömungsfeld entwickelt. Die Farben stehen hier für die Geschwindigkeiten; die Analyse fand auf einem Laptop mit Nvidia-Grafikkarte statt.
Das folgende Video zeigt den gesamten Analyseprozess so wie er stattfindet, in Echtzeit:
Am Ende ergibt sich über die Druckverteilung auf den Oberflächen eine Kraft von ca. 8.5 N für eine Geschwindigkeit von 40km/h, was etwa 100W entspricht. Zusammen mit dem Rollwiderstand von 2x20W + 1x15W für die beiden Vorderräder (Kojak) und das Hinterrad (Marathon Supreme) summiert sich das auf eine Gesamt-Tretleistung von ca. 150 W.
Der ganze Ablauf - vom 3D Scan über die Geometrieaufbereitung bis hin zum Ergebnis - hat ungefähr 2 h gedauert. Ich hätte nicht gedacht, dass das so gut funktioniert. Es ist wirklich faszinierend, nach so kurzer Zeit die Strömung in 3D beobachten zu können. Selbst mit Fäden aufkleben und Video-Auswertung dürfte das kaum schneller sein, aber deutlich weniger Einblick ermöglichen.
Was ich beim nächsten Mal anders machen würde? Ich würde beim Scannen noch ein bisschen weiter in den Radkasten "reinschauen" und mir beim Hinterrad ein bisschen mehr Zeit gönnen. Für die Gesamtbetrachtung dürfte die Unschärfe im bestehenden Scan an diesen Stellen aber keine Rolle spielen.
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Patrick (Mittwoch, 29 Januar 2020 17:37)
Gute Arbeit,
die Räder könntest Du noch vom Modell löschen und primitiv nachmodellieren. In dem CFD solver mit dem ich gelegentlich übe, kann man die Räder dann als rotierende Flächen simulieren, das sollte auch mit ANSYS gehen.
Ein Kanal für die Luft vom Staupunkteinlaß zu einem Auslaß an geeigneter Stelle könnte auch hilfreich sein.
Zum Verifikation Deines CFD-Modells köntest Du die Stromlinien mit kurzen Wollfäden nachbilden und filmen lassen/vergleichen, wie sie sich verhalten.
Ich mache in den kommenden Wochen eine ähnliche Simulation aber mit einem anderen Fahrzeug und anderer Software... mal sehen wie das wird.
Grüße,
Patrick
Christof (Mittwoch, 29 Januar 2020 22:06)
Hi Patrick,
Danke. Ja, man kann da noch einiges mehr machen.
Neben dem Ausweiten der Systemgrenzen und den Rädern ist auch der Untergrund ausbaufähig (in meinem Modell feststehend, während er sich auf der Straße relativ zum Fahrzeug bewegt). Auch die geometrische Auflösung kann man verbessern, der 3D Scanner den ich habe kann halt nicht mehr. Die Unterseite des VMs ist auch noch sehr schlecht abgebildet, da bin ich mit dem Scanner einfach nicht mehr hinbekommen. Außerdem ist der Berechnungsansatz zu berücksichtigen, ich verwende hier ein netzfreies Designtools, hätte aber auch eine klassische CFD Lösung nehmen können, nur sind dann 2 h bis zum Ergebnis nicht machbar. Es ist halt immer eine Frage was man wissen will und wie viel Aufwand es einem Wert ist.
Ich wünsche dir viel Erfolg bei deiner Analyse. Wenn du dich dazu austauschen willst, melde dich gern wieder.