Diese Woche stand Radlurlaub an. Leider war das Wetter für die ganze Woche durchgehend und großflächig schlecht angesagt. Was tun? Auch der Blick nach Österreich half nichts. Selbst jenseits des Alpenhauptkamms war die Prognose nicht wirklich besser. Slowenien schon eher, aber da war wegen Corona keine Einreise möglich (zumindest nicht per Rad). Statt nach Süden richtete ich meinen Blick also nach Norden... Und Bingo. An der Ostsee sagte der Wetterbericht durchgehend Sonne voraus.
Der Plan: Mit dem Zug nach Lübeck und dann die Ostseeküste entlang bis nach Rügen. Also eine Zugverbindung rausgesucht... aber leider keine Fahrradstellplätze mehr frei. In keiner, wirklich keiner Fernverbindung. Stundenlang habe ich gesucht. Nix zu machen. Was tun? Tja, schweren Herzens habe ich mich dann entschlossen, mit dem Nahverkehr zu fahren. Start um 6:52 in Wasserburg, Umsteigen in Landshut, Nürnberg, Saalfeld, Neudietendorf, Göttingen, Hannover, Lüneburg und Ankunft um 20:52 in Lübeck. Puh. Mit dem Quer-durchs-Land-Ticket für 42 Euro und einer Fahrradkarte für 6 Euro könnte ich immerhin für unter 50 Euro nach Lübeck kommen. Das viele Umsteigen und die Ungewissheit, ob ich die Anschlusszüge erwische und ob genügend Platz für die Fahrradmitnahme gegeben sein wird, geben der Reise ein wenig Nervenkitzel.
Der Start in Wasserburg ist noch ganz entspannt, der Zug startet hier und ist früh da. Auch die 9 min Umstiegszeit in Landshut reichen ganz gut. Dann lerne ich den Unterschied von Regionalbahn und Regionalexpress kennen. Während die Regionalbahn Fahrradabteile direkt bei den Einstiegen mit hohen Stufen aufweisen, sind die Regionalexpress-Wagen als Doppelstockwagen ausgeführt mit breiten Doppeltüren und fast ebenem Zugang. Und einem sich über die halbe Wagenlänge erstreckendem Fahrradabteil. Hervorragend.
Spannend wird es mit der Erfurter Regionalbahn. Sie besteht aus einem Wagen mit 4 Fahrradstellplätzen. Mein Fahrrad ist das dritte. Schwein gehabt. Spätere Radler schauen in die Röhre und müssen auf die nächste Verbindung in einer Stunde hoffen. Tja, das ist das Restrisiko mit dem Rad im Nahverkehr.
Trotz der siebenmaligen Umsteigerei komme ich pünktlich in Lübeck an. Dann noch ein paar Kilometer zum Hotel und dann nach einem wohlverdienten Feierabendbier aus der "Mini"bar ins Bett.
Am nächsten Tag ging es früh los. Erst mal durch Travemünde, am Hafen vorbei, dann aber recht schnell ins Grüne. An menschenleeren Stränden vorbei, nur ab und zu mal ein paar Radfahrer, aber recht selten. Die ersten Seebäder sind auch noch recht leer. Später dann, in Kühlungsborn, wird es voll. Fußgänger, Radfahrer, Ebikefahrer. Jede Menge. Aber ein paar Kilometer weiter löst sich das dann recht schnell auf. Am ersten Tag fahre ich bis Rostock. Kurz bevor ich da ankomme, habe ich einen Platten. Geplatzt. In voller Fahrt. Ich vermute "das Gewicht", schließlich fahre ich die Greenmachine das erste mal mit Gepäck. Da das Hinterrad nur einseitig aufgehängt ist, geht der Schlauchwechsel schnell. Schnell noch in einen Radlladen (10 min vor Feierabend) und einen neuen Ersatzschlauch gekauft. Eine weise Entscheidung.
Am zweiten Tag ging es dann weiter bis Stralsund. Wieder schöne Radwege. Am Strand entlang, durch Wälder, wunderbar. Wieder ein Platten. Nach weniger als 100 km. Seltsam. Ich suche den Mantel ab. Nix. Die Felge. Naja, am Felgengrund gibt es leichte Grate von der Werkzeugform (ich fahre spritzgegossene Felgen). Ob es das ist? Egal, neue Ersatzschläuche kaufen. Diesmal drei Stück. Sicher ist sicher. Nochmal eine weise Entscheidung.
Von Stralsund ging es dann auf Rügen. Wieder kleine, leere Radwege. Wenig los. Bis 10 Uhr nur ein Radfahrer. Irgendwann mache ich eine Pinkelpause, steige wieder aufs Rad, freue mich über tolle Mohnfelder entlang des Radweges. Dann merke ich - Jackentasche offen. Auf dem Liegerad ist das nicht gut. Geldbeutel weg. Mist. Wo hatte ich die Jackentasche zuletzt in Arbeit? Die Pinkelpause. Also nochmal 3-4 Kilometer zurück. Dort die halbe Wiese abgesucht. Nix. Nochmal gesucht. Nochmal nix. Mist. Geld weg, Kreditkarte weg, Führerschein weg, Perso weg. Au weia. Vor allem die Lauferei wg. Perso und Führerschein nerven mich jetzt schon an. Aber hilft alles nix, ich fahre weiter. Dann, nach vielleicht 2-3 Kilometer liegt er da. Grau und unscheinbar. Auf dem Weg. Überglücklich packe ich ihn ein und bin erleichtert, mir den ganzen Papierkram ersparen zu können.
Gegen Mittag komme ich dann an die Wittower Fähre. Dort stauen sich einige Autos. Die Fähre ist ausgefallen. Ein nettes Gespräch mit einem Hamburger Wohnmobilfahrer und 2 Stunden später bin ich dann auf der Fähre. Zufrieden und glücklich. Dann wieder weiter an der See entlang Richtung Kap Arona, dem nördlichsten Punkt auf Rügen. Dort komme ich um ca. 15 Uhr an. Boah, echt viele Menschen. Nicht so prickelnd. Aber naja, alles Touris, wie ich. Für die Kreidefelsen am nächsten Tag nehme ich mir vor, möglichst früh zu starten. Nach einer Nacht in Breege, starte ich am nächsten Morgen noch vor dem Frühstück.
Ich komme gut voran, freue mich schon auf einen ungetrübten Blick. Dann höre ich am Hinterrad etwas rythmisch Schleifen. Ich lege das Rad auf die Seite und sehe den Schlauch etwa walnußgroß an der Reifenflanke rauskommen. Dann knallt es und - Platten Nummer 3. Also wieder Schlauch wechseln (Vorräte sind ja aufgefüllt) und nochmal 10 km Umweg zur nächsten Tankstelle (mit meiner Notfallpumpe schaffe ich nur ca. 2 bar). Dann finaler Anlauf auf die Kreidefelsen. Um ca. halb 9 bin ich dort. Der Radlparkplatz ist leer. Kein Mensch zu sehen. Ich laufe einen knappen Kilometer zum Aussichtspunkt und treffe dabei keinen einzigen Menschen. Und dann liegen sie vor mir. Weiß, am blauen Meer, unter blauem Himmel, grün gerahmt von der Vegetation. Schön. Auf dem Rückweg treffe ich dann doch noch 2 frühe Wanderer.
Von den Kreidefelsen fahre ich weiter Richtung Süden, nach Sassnitz. Da das Wetter schlechter wird, entscheide ich mich spontan, von dort nach Hause zu Fahren. Ein Hoch auf die Flexibilität der Bahn. Wieder mit Nahverkehrszügen. Zunächst bis Hof. Dann am nächsten Tag bis Landshut. Dort habe ich mich für einen Webcall mit einer Kollegin und einem Kunden spontan in einen Coworking Space eingemietet (18 Euro, dafür habe ich Ruhe und Strom), danach ging es dann mit einem letzten Umsteigen nach Wasserburg.
Fazit? Die Ostsee ist wirklich schön zum Radeln. Tolle Wege, oft asphaltiert, manchmal Betonplatten, manchmal unbefestigt. Nur in den Badeorten stark frequentiert. Dazwischen - nix.
Die An- und Abreise per Bahn war "ok". Fernverkehr wäre mir lieber gewesen, um nicht so oft umsteigen zu müssen. Neben dem Schleppen des Rades ist vor allem die Ungewissheit ob man mitkommt nicht so schön. In Regional-Express-Zügen mit ihren Doppelstock-Wagen und großen Radabteilen ist das aber kein Problem, in den Regionalbahnen schon eher. Alles zusammen: Es war ein schöner Urlaub.
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