Nach dem Nürburgring-Wochenende ging es eine Woche später los nach Albanien. Von Rosenheim habe ich den ÖBB -Nachtzug nach Mailand genommen. In einer Dreierkabine. Ich habe nette Mitfahrer und die ÖBB hat ein Nachtzug-Überlebenspaket spendiert mit Auswahlliste für das Frühstück am nächsten Morgen, Schlafmaske, zwei Flaschen Wasser, etwas Süssem und Hausschuhen :-). Und einem Kuli für den Frühstückbestellzettel. Sehr gut organisiert. Mein Rad und mein Gepäck konnte ich gut auf der oberen Gepäckablage platzieren. Dann noch ein bisschen Gespräch über meine Tour, noch ein bisschen mehr Vorfreude, ein (sehr günstiges!) Gutenachtbier und dann ins Bett.
Das Einschlafen im Schlafabteil war super. Das sanfte Schaukeln war sehr gemütlich, die gleichförmige Geräuschkulisse einschläfernd. Ich habe sehr gut geschlafen. Als wir irgendwann in Verona ankamen, standen wir längere Zeit. Wir hatten ca. 2 h Verspätung. Die Zugbegleiter wussen nicht, wie lange wir noch stehenbleiben würden. Mein Anschluss in Mailand hatte einen Puffer von 3 h, ich wurde langsam unruhig, weil die Gefahr bestand, die Fähre von Bari am Sporn vom Stiefel nach Durres in Albanien zu verpassen, für die ich ein relativ teures Ticket (knapp 160 Euro) für eine Einzelkabine gebucht hatte.
In der App der TrenItalia suche ich mir eine alternative Verbindung, spreche nochmal mit dem Schaffner und buche dann eine Verbindung die 20 min später von Verona nach Mailand starten soll. Mit der wäre der Anschluss nach Bari noch zu schaffen. Einige Minuten bevor der Zug dann einfährt, setzt ich mein Nachtzug doch noch in Bewegung - zum Glück war ich noch an Bord.
Mit dem großzügigen 3h-Puffer konnte ich dann in Mailand umsteigen und nochmal 7h Fahrt durch Italien genießen.
In Bari fahre ich zum Hafen. Der Zugang zum Counter um meine Bordkarte zu bekommen ist nur für Autos und LKWs freigegeben, für Fussgänger und Radfahrer gesperrt. Ich suche nach einem alternativen Zugang, finde aber nichts, also fahre ich einfach durch. Vom Counter geht es dann per Kleinbus in einer wilden Fahrt zum Schiff. Dort beziehe ich meine Kabine, die in einem besseren Zustand ist als ich nach den schlimmen Rezensionen der Fähre bei Google erwartet hätte. Die Toilette und Dusche ist von der Sauberkeit her in Ordnung, das Schiff ist eben schon älter, das Bullauge verdreckt/vergraut dass man nichts mehr sieht, aber oben auf dem Deck kann ich See und Sonne genießen.
Auch auf der Fähre schlafe ich gut und komme dann ausgeruht in Durres in Albanien an. Das Ausschiffen ist etwas zäh, erst nach einer Stunde komme ich von Bord. Dann noch schnell durch die Grenzkontrolle und meine Radtour in Albanien startet.
Auf kleinen Straßen mit wenig Verkehr, abseits der Hauptverbindungen, fahre ich nach Norden. Es gibt dort wenig Verkehr. Ich überhole einen elektrischen Rollstuhlfahrer, dann er mich, weil ich
nach der Route schauen. An einer der zig Steigungen geht ihzm der Strom aus, ich schiebe ihn die letzten Meter hoch und er kann weiterfahren. Irgendwann macht mein Klickpedal schlapp. Es klickt
nicht mehr. Also die erste improvisierte Reparatur. Ich hoffe es bleibt die einzige.
Die erste Etappe führt zu einem kleinen Hof im Nirgendwo, auf dem auch Zimmer angeboten werden. Eine sehr idyllische Anlage, mit vielen Hühnern, Katzen und Schafen, einem schattigen Vorhof (der
nach dem ersten Sonnentag sehr entspannend war), klimatisierten und geschmackvoll eingerichteten Räumen, einem freundlichen Gastgeber, kurzum eine perfekte Unterkunft. Nach einem Abendessen in
einem Restaurant in Laufweite ging es dann ins Bett. Früh am Morgen wecken mich zwei Hähne und ich schwinge mich auf mein Rad um eine - lt. Plan - entspannte Etappe zum Koman-See zu fahren, einem
langgezogenen Stausee, den ich am nächsten Tag auf 25km per Fähre befahren will. Die Strecke ist auch hier sehr ruhig, kaum Verkehr. Die Straße folgt einem Flußlauf und den einmündenden Tälern.
Eine schöne Gegend, viel Natur, aber die Straße wird schlechter und schlechter. Irgendwann gibt es keinen Belag mehr sondern nur noch Schlagloch an Schlagloch. Das Fortkommen ist sehr
kräftezehrend. Dazu noch starker Gegenwind, der durch das Flusstag stark kanalisiert wird und sich aufgrund der Temperatur wie das Fahren in einem Föhn anfühlt.
Irgendwann komme ich dann doch noch in Koman an, ziemlich ausgepowert aber glücklich. Ich habe eine schöne Unterkunft, direkt am Fluss, esse dort auch und gehe wieder früh ins Bett.
Am nächsten Morgen fahre ich den Stausee-Damm hoch und dann geht es auf die Fähre, auf der Autos, Motorräder und Menschen in abenteuerlich anmutender Weise dicht gepackt werden. Mitten auf dem See hält ein Personenboot auf uns zu und dann steigen weitere Passagiere zu uns dazu. Naja, ein paar Plätze finden sich noch und dann geht die Fahrt weiter.
Und dann geht es zwei Stunden den gestauten Fluss entlang zwischen den angrenzenden Bergen hindurch. Ein beeindruckendes Naturschauspiel. Das Wasser ist herrlich, blaugrün und klar, ich hätte
gute Lust einfach hineinzuspringen. Es sind 35 Grad angesagt und man kann es auch auf der Fähre nur im Schatten gut aushalten.
Nach dem Anlegen bin ich mit meinem Rad gleich wieder auf Tour. Ich fahre ein Flusstal entlang und kurbele mich Meter um Meter nach oben. Von der Fähre überholen mich nach 20 min noch zwei
Motorradfahrer aus Kempten, sonst ist wenig Verkehr.
Mit dem Erreichen der Passhöhe erreiche ich den Kosovo. Schön. Dort wohnt ein Freund von mir, den ich mit seiner Familie besuchen möchte. Ich habe schon so viel von ihnen gehört und jetzt werde ich sie kennenlernen. Nach der Pass-Abfahrt mit nur 2-3% Steigung, bei der ich das Rad ohne groß zu bremsen einfach laufen lassen und gemütlich mittreten kann, komme ich irgendwann an einem kleinen Supermarkt an. Sehr klein, aber ich kann was zu essen und zu trinken kaufen. Leider alles abgepackt, aber so ist das eben. Müll ist wirklich ein Problem und ich merke, wie auch durch mich Müll entsteht. Aber ich nehme ihn mit, es ist nur wirklich schwer, öffentliche Mülleimer zu finden.
Die Nacht verbringe ich in Gjakove. Dort habe ich ein kleines Gartenhaus mit Dusche und klimatisiertem Schlafzimmer gemietet. In Laufweite gibt es einen kleinen Supermarkt, in dem ich mir Tomaten und Gurken für einen Salat kaufe. Nach einer erholsamen Nacht fahre ich weiter auf kleinen Sträßchen Richtung Prizren, der zweitgrößten Stadt im Kosovo. Die Streckenführung ist hügelig, aber ich habe Zeit und keine allzu lange Etappe. Unterwegs will ich noch ein Foto von einer Baumaschine machen, für einen Kollegen, der mir aus seinem Urlaub ein Foto geschickt hat von einer Maschine von dem Kunden den wir gemeinsam betreuen. Als ich am Fotografieren bin, kommen gleich 2 Kosovaren, zeigen mir ganz stolz ihren elektronisch gesteuerten Bagger, bitten mich probezusitzen und sind ganz aus dem Häuschen, dass sich jemand für ihre Bagger interessiert. Wirklich nett.
An diesem Tag übernachte ich in Prizren, direkt in der Altstadt. Dort gibt es viele Touristen, richtig viele. Aber noch in Ordnung. Aufgrund der Hitze wird kostenloses Flaschenwasser verteilt, sehr aufmerksam von den Verantwortlichen der Kommune.
Nach Prizren kommt eine Etappe, in der es 20 km nur nach oben geht. Ich mache zwischendrin mal eine Pause und es kommt mir ein Radlbackpacker nach, der ziemlich kurz angebunden grüßt und keine Miene verzieht. Kurz darauf erfahre ich weshalb. Von oben kommt ein Gravelbiker herunter, grüßt, hält und wir reden ein bisschen. Er kommt aus Luxemburg und hatte bis zum Vorabend einen Kontrollpunkt eines Radrennens, das von Istanbul nach Paris geht. Der Fahrer der den Pass hochkam, und so kurz angebunden war, hat das gegebene Zeitfenster knapp verpasst. Fährt die Strecke aber trotzdem weiter. Ich verstehe nun, weshalb er schlechte Laune hat und zolle ihm Respekt, dass er trotzdem die Strecke weiterfährt.
Auf der Strecke finde ich noch eine Albanienfahne, wie sie wohl von einem Autofenster verlorgengegangen ist. Überhaupt: Die Fahnen. Erst im Kosovo habe ich durch die Fahnen erleben können, wie sehr Kosovo die Verbindung zu Albanien herbeisehnt. Überall stehen Masten mit Albanischer Flagge (schwarzer Adler auf rotem Grund). Oft - aber nicht immer - neben der kosovarischen Flagge. Und wenn andere Flaggen zu sehen sind, dann die deutsche, amerikanische, türkische und manchmal die europäische. Man kann schon eine Sympathie für gewisse Nationen feststellen. Für mich als Deutscher ist es angenehm. Neben der positiven Wahrnehmung sprechen viele auch noch deutsch (wobei englisch auch fast immer geht - zumal bei den jüngeren Generationen). In Gjakova hatte ich im Supermarkt nach einem Einkauf etwas vergessen - eine Gurke. Bin dann zurück. Und der Ladenbesitzer wollte mir die Gurke schenken. Wirklich nett.
Dabei sind die Preise eh sehr sehr günstig - für unsere Verhältnisse. Zwei Espresso und ein Hörnchen für 1.40Euro. Als ich sage, ich würde gern alles zusammen bezahlen und höre, das sei für alles zusammen, ist es mir ein bisschen peinlich, das Preisniveau so gar nicht einordnen zu können. Ein Essen im Restaurant kostet 3 Euro, die Cola aber schon 1.60Euro. Importiert und damit teuer. Tja.
Irgendwann komme ich dann bei meinem Freund und seiner Familie an. Er konnte es bis zuletzt wohl nicht glauben, dass ich wirklich komme. Und ich lerne seine Familie kennen. Seine Frau und Kinder, seine Brüder und deren Kinder. Sehr, sehr nett. Er muss viel übersetzen, aber einige sprechen auch deutsch oder englisch. Es ist ein schöner Tag, der sehr schnell vorbei geht.
Am nächsten Tag fahre ich nach Skopje, der Hauptstadt von Nordmazedonien. Die kyrillische Schrift macht die Orientierung echt kniffliger. Man kann gar nicht gut verstehen, um was es in dem geschriebenen Text geht. Ich kaufe mir ein belegtes Brötchen - da ist scheinbar Blätterteig als Belag drauf. Seltsam. Ich habe noch einen Joghurt zum Trinken, der ist richtig lecker.
Nach Skopje und Kumanovo fahre ich Richtung Bulgarien. Ich übernachte in einer Hotelanlage in der Pampa. Mit Pool und Restaurant direkt dort. Die Karte in kyrillischer Schrift überfordert mich, als ich Google Lens befragen will, erkennt der Kellner mein Problem und gibt mir eine englische Karte. Puh :-). Zum Essen spielt eine Band. Leider in einer Lautstärke, die unerträglich ist. Ich verdünnisiere mich nach dem Essen umgehend und freue mich auf mein ruhiges Zimmer.
Der nächste Tag bringt eine der längsten Etappen mit gleichzeitig vielen Höhenmetern. Einige davon sind einem Koster geschuldet in der Nähe von Kriva Palanka. Orthodoxe Kirche, sehr schöne Bemalung, sehr gut erschlossen, aber relativ wenig Touristen. Vielleicht weil es etwas abgelegen ist?
Ich fahre weiter Richtung Sofia und passiere irgendwann die Grenze zu Bulgarien. Der Verkehr ist jetzt deutlich unangenehmer, die Überholbabstände sind eh unterirdisch und ich beschließe, das letzte Teilstück nicht mehr zu radeln sondern mit dem Bus zu fahren. Ich klappe mein Brompton zusammen, lege es in das Unterflur-Gepäckfach und bin eine Stunde später in Sofia.
Von Sofia aus starte ich mit der Bulgarischen Staatsbahn BDZ Richtung Rumänien. Obwohl Sofia nun ja nicht klein ist, gibt es am Bahnsteig keine Nummern, keine Anzeigetafeln, nichts. Über die Gleise gehen einfach ein paar Wege und irgendwo weit hinten steht ein buntbesprühter Zug. Irgendwann gehen die Leute dort hin und steigen ein. Also laufe ich hinterher. Und prompt stolpere ich, die Tasche auf links, das Rad rechts und es haut mich auf das Gleis. Mit blutigen Knien rappele ich mich auf und laufe weiter. Ich schaue mir den Zug an, aber kann nicht erkennen ob das meiner nach Vidin ist. Als ich mit Google Lens gerade die kyrillischen Schriftzeichen entziffere (ja, es ist Vidin), spricht mich ein Franzose an, dass das der Zug nach Vidin ist, er nimmt den auch. Gut.
Ich setze mich in ein Abteil und fahre dann in einem prunktvollen roten Abteil Richtung rumänischer Grenze. Der Zug ist mindestens 50 Jahre alt, wahrscheinlich mehr. Toilette offen nach unten auf die Gleise. Puh. Aber es geht zügig voran und die Waggons versprühen einen Charme, den es in modernen Zügen nicht mehr gibt.
In Vidin angekommen gibt es ein Gleis hinter einer Gitterabsperrung. Grenzkontrolle. Ich muss meinen Pass abgeben und darf in den Zug. Später bekomme ich den dann zurück. Der Zug sieht eigentlich ganz modern aus, deutlich jünger als der bulgarische. Als wir dann aber fahren stelle ich fest, es geht nur im Schneckentempo. 20-30 km/h. Und das über zwei Stunden. In der Toilette gibt es kein Licht, auch den Schaffner stellt das - wie mich einige Minuten zuvor - vor Probleme. Langsam zieht die Landschaft draussen vorbei. Die Bahnstationen sehen sehr verfallen aus. Eher wie unbewohnte Häuser oder Hütten. Irgendwann komme ich dann doch in Craivoa an und übernachte dort in einer Privatwohnung. Für mich sehr seltsam: Im Treppenhaus hat jeder seine eigenen Wohnungstür-Stil. Von modern über Öko ist alles vertreten. Im Eingangsbereich hängen Briefkästen, einer zerdepperter als der andere. Seltsam.
Die Fahrt von Criaova nach Arad, am Westende von Rumänien ist nett. Ich habe einen Platz in einem Wagon mit Bistro. Eigentlich habe ich mir 2 Dosen alkoholfreies Bier eingepackt. Beim Einsteigen renne ich mit der Tasche mit den 2 Dosen Bier irgendwo an und eine Dose platzt. Überall Bier und Schaum, voll peinlich. Das Bier läuft quer über den Gang, aber keinen interessiert es. Ich stopfe die Dosen in den Abfalleimer und mache es mir auf meinem Platz gemütlich.
In Arad nehme ich den Nachtzug nach Wien. Start um halb 2 Uhr in der der Nacht. Diesmal kein Dreierabteil sondern ein Schlafabteil für mich alleine. Sehr luxuriös. Die erste saubere Toilette in einem Zug auf dem Balkan. Und sogar eine eigene Dusche. Das Bett sieht auch sehr vernünftig und einladend aus. Leider dann noch Grenzkontrollen von Rumänen und Ungarn, viel Schlaf bekomme ich leider nicht.
In Wien steige ich dann in den Railjet nach Salzburg, von dort fahre ich mit dem Nahverkehr über Mühldorf nach Wasserburg und dann wieder mit dem Rad nach Hause.
Es war eine schöne Tour. Ich werde mich gern daran erinnern, diesen Reisebericht später gerne nochmal lesen und die Reise nacherleben. Das Reisen mit dem Schlafwagen ist absolut empfehlenswert. Das Zugfahren auf dem Balkan auch, ein echtes Erlebnis, aber man braucht Zeit. Busfahren ist einfacher und schneller, aber auch irgendwie langweiliger. Und das Radfahren speziell in Albanien und im Kosovo war ein wirklich gutes Erlebnis. Wichtig ist nur, Strecken zu suchen, die wenig Verkehr aufweisen.